Über die Politiker hört man mehr Tadel als Lob, nicht nur wegen ihrer Politik, sondern auch, weil sie einen schlechten Charakter hätten. Und dabei schwingt die Überzeugung mit, daß die Politik daran nicht unwesentlich mitgewirkt habe.
Wenn das stimmt, ist der Politiker nicht nur Täter,
sondern auch Opfer, Opfer seines Milieus. Und dann müßte man davor warnen, in
die Politik zu gehen. Natürlich gibt es Menschen, die schon einen schlechten
Charakter mitbringen, wenn sie in die Politik gehen. Andere aber stehen dauernd
in der Gefahr, ihren Charakter durch falsches Verhalten zu verderben.
Grundsätzlich gilt das zwar für alle Berufe. Aber es scheint doch, daß der
Politiker besonders gefährdet ist. Bekanntlich spricht man vom „glatten Parkett
der Politik“, auf dem einer leicht ausrutschen könne. Welchen Gefährdungen ist
nun besonders der Politiker ausgesetzt?
1. Feigheit
In der Demokratie wird nach Mehrheit entschieden. In
der Mehrheit kann man sich aber gut verstecken. Keiner weiß dann, ob man dabei
war oder nicht. Dieses Mitmachen kann zur Regel werden und ist dann Feigheit.
Doch Feigheit bringt viele Vorteile. Wer in Partei und Fraktion immer mit den
Wölfen heult, wird bei der nächsten Wahl wieder auf den Stimmzettel gesetzt und
hat die Chance einer Wiederwahl. Die Feigheit ist für einen Politiker also
naheliegend.
2. Bestechlichkeit
Von politischen Entscheidungen kann für große
Unternehmen viel abhängen. Deshalb versuchen Vertreter solcher Unternehmen oft,
möglichst viele Politiker dafür zu gewinnen, daß sie zum Vorteil ihres
Geschäftes stimmen (Pharma-Industrie, Waffen-Fabrik, Versicherung,
Glaubens-Gemeinschaft usw). Zum Dank werden willige Politiker mit großzügigen
Geschenken bedacht (Geld- oder Sach-Leistungen). Obwohl die Politiker sehr gut
verdienen, kann man doch davon ausgehen, daß viele nach dem Sprichwort handeln:
„Eine Hand wäscht die andere.“ In den USA spricht man vom Deal (Handel). Der
richtige Name ist aber Korruption (Verdorbenheit).
3. Verlogenheit
Der Politiker ist ein Mann des Wortes. Reden ist sein
Leben. Zur Wahrheit hat er ein gespaltenes Verhältnis: Glaubt er, daß sie ihm
nutzt, sagt er sie. Glaubt er, daß sie ihm schadet, ersetzt er sie durch
Halb-Wahrheiten, Viertel-Wahrheiten oder die platte Lüge. Gern malt er einfache
Bilder und redet den Leuten nach dem Mund. Hat er einmal willentlich oder
unwillentlich etwas Falsches gesagt, schwächt er es ab (er rudert zurück) oder
sei mißverstanden worden. Das ganze Leben drängt den Politiker dazu, sich und
seine Partei in gutes Licht zu stellen. Nur der Erfolgreiche hat Erfolg! Den
Gegner aber redet er schlecht und läßt kein gutes Haar an ihm. Und so neigt er
durch seine ganze Existenz mehr zur Un-Ehrlichkeit als zur Ehrlichkeit. Das
aber kann mit der Zeit zu seiner zweiten Natur werden. Und er bemerkt es nicht
einmal.
4. Machtgier
Der richtige Politiker will die Gesellschaft nach seinen Vorstellungen gestalten. (Der falsche sucht nur einen guten Job.) Und je mehr Mitstreiter und Zustimmung er für seine Ideen findet, umso größer ist seine Aussicht, sie zu verwirklichen. In seinem Kampf um Erhalt und Vermehrung der Macht ist der Macht-Mensch ein wahrer Wendehals und Meister der Anpassung. Aber Macht ist gefährlich: Der Historiker Jacob Burckhardt sagt: „Die Macht an sich ist böse.“ Mit der Macht wächst der Hunger nach mehr Macht. Und das kann bis zum Macht-Rausch gehen. Aber es ist dafür gesorgt, daß die Bäume nicht in den Himmel wachsen: Der Macht-Rausch ist der Tief-Punkt eines verdorbenen Charakters und der gefährlichste dazu. Denn dann können ungeheure Zustände drohen mit Hekatomben von Leichen, wie es die kommunistischen Politiker, von Lenin an, beipielhaft gezeigt haben.
Werner J. Mertensacker
CM-Buch: Die Treue (5 €)
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