Die Münchner und ihr Seliger

Allerheiligen 1945. Der Krieg ist seit Mai zu Ende, und Pater Rupert Mayer (1876‐1945) darf nach der NS‐Diktatur endlich wieder öffentlich predigen. Die Nazis hatten ihn eingesperrt, dann im Kloster Ettal ruhiggestellt, jetzt aber ist der 69jährige Jesuiten‐Pater voller Dankbarkeit, wieder für den HERRGOTT predigen und die Sakramente spenden zu dürfen.

Ausgemergelte Gesichter, vom Krieg gezeichnet, blicken zum Altar der Kreuz‐Kapelle von St. Michael, wo der magere, humpelnde Pater glühende Worte vom Heiland verkündet. Die kleine Barock‐Kirche ist in der 8.00 Uhr-Früh‐Messe bis auf den letzten Platz gefüllt. Es ist eine der wenigen Kirchen in der Münchner Innenstadt, die von den Bomben‐Angriffen verschont geblieben ist. Ärmlich gekleidete Menschen, Frauen mit Kopftüchern, Männer in alten Uni­formen, denn ihnen fehlt Geld für Kleidung.

Deutschland in der Stunde „Null“

Am 8. Mai 1945 hatte die Wehrmacht die bedingungslose Kapitulation gegenüber den Alliierten unterschrieben. Die Herzen der Menschen suchen Zuflucht bei GOTT. Viele Anverwandte sind im Krieg umgekommen, unzählige Vertriebene aus den ehemals deutschen Gebieten, Kriegsver­sehrte ohne Ende, zahlreiche Kriegsgefangene sind noch nicht zurückgekommen, und nie­mand weiß, wo sie sind, und ob sie überhaupt noch leben.

Am 1. November 1945 blicken die Gläubigen auf zu Pater Rupert Mayer, der gerade predigt. Schon ist er beinahe am Ende der Predigt angelangt: „Die heilige Eucharistie – das ist die Nahrung der christlichen Nächstenliebe für die Kranken, für die Alten, für die Kinder in all der Not. Es ist der HERR in dieser Gestalt des Brotes der Eucharis­tie.“ Dann setzt er noch einmal an: „Der HERR…“, doch dann Pause, er setzt noch einmal an: „Der HERR…“ Dann steht er regungslos sekundenlang vor dem gelähmten Schweigen der Gemeinde. Eine Frau schreit auf: „Pater Mayer, Pater Mayer!“ Zwei Priester eilen aus den Beichtstühlen herbei, die Altarstufen hinauf, wo Pater Rupert Mayer immer noch aufrecht steht, totenblaß, ohne sich anzulehnen. Sie stützen ihn und tragen ihn im Meßgewand in sein Zimmer hinter der Kapelle. Pater Mayer zittert, kann seine Zunge nicht mehr bewegen, droht zu ersticken.

Ein Heiliger unter Heiligen

Er hat einen Gehirnschlag erlitten. Der Superior telefoniert nach einem Krankenwagen, doch alle Krankenhäuser sind in dem zerbombten Mün­chen überfüllt. Schließlich nimmt ihn das „Josefinum“ auf, obwohl kein Bett mehr frei ist. Die Ärztin gibt ihm eine krampflösende Spritze und diagnosti­ziert: „Einen Tag kann er noch leben.“ Die Farbe kehrt in das Gesicht des Paters zurück, still liegt er da, die Ärztin mißt den Puls, da durchzuckt ein neuer Schlag den Pater. Das Herz hört auf zu schlagen. Es ist 11.00 Uhr am Fest Allerheiligen. Am 3. Mai 1987 wird er seliggesprochen. Wer ist Pater Rupert Mayer? In unserer Broschüre „Ich werde niemals schweigen“ haben wir versucht, eine Antwort zu geben.
Sr. Maria Anja

CM-Buch: Ich werde niemals schweigen: Pater Rupert Mayer (5 €)

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