Elisabeth von Hessen-Darmstadt (1864–1918), Enkelin der englischen Königin Victoria (1837-1901), im Großherzogtum Hessen-Darmstadt als deutsche Prinzessin geboren, schreibt durch ihre Ehe mit Großfürst Sergei Alexandrowitsch Romanow Geschichte.
Die 14jährige ist hübsch. 1884 findet die Hochzeit im Winterpalast in St. Petersburg statt.
Die russische Seele
Großfürstin Elisabetha Fjodorowna ist nun Mitglied der Zarenfamilie. Gleichzeitig ist sie tiefreligiös und konvertiert 1891 vom Protestantismus zur Orthodoxie. Ihre Ehe wird für sie zu großer Enttäuschung: Ständig ist Sergei grundlos eifersüchtig. Kinder bleiben ihnen versagt. Als Generalgouverneur von Moskau entpuppt sich Großfürst Sergei als Despot. 1905 spitzt sich die politische Lage zu. Intellektuelle, Sozialisten, Kommunisten und Anarchisten wollen die zaristische Autokratie stürzen. Doch Sergej und Zar Nikolaus II. (1894-1917) halten an der Autokratie fest. Am Blutsonntag von 1905 entzündet der Terrorist Iwan Kaljajew eine Bombe im Kreml, die Sergej ermordet. Elisabetha bleibt gefaßt, betet lange und weist dann den Mörder im Gefängnis zurecht: „Ihr irrt, mein Mann liebte das Volk und dachte nur an dessen Wohl. Laßt ab von eurem Hochmut und bereut.“
Liebe und Barmherzigkeit
Witwe Elisabetha Fjodorowna trauert ein Jahr lang um ihren Mann, dann gründet sie mit Unterstützung des Zaren ein Kloster in Moskau. Ihre letzten Worte vor dem Eintritt: „Ich verlasse die schillernde Welt. Jetzt bin ich zusammen mit Euch dabei, hinabzusteigen in eine viel größere Welt – die Welt der Armen und Leidenden.“ 1909 nimmt das „Martha-Maria-Kloster“ seine Tätigkeit auf, Elisabetha leitet es als Äbtissin, ist aber stets demütig und einfach. Junge Frauen mit angeblichen Visionen und mystischen Erfahrungen nimmt sie nicht auf. Vom „Wunderheiler“ Rasputin hält sie wenig.
Oktober-Revolution
Während des Ersten Weltkriegs (1914-1918) bricht 1917 die Russische Revolution aus, angeführt durch Lenin. Die Bolschewiki lassen die Zarenfamilie hinrichten. Auch für das Martha-Maria-Kloster ist die Zeit abgelaufen. Eine „Brutstätte des Aberglaubens“ sei es. Doch Schwester Elisabetha bleibt gelassen: „Frieden hinterlasse ICH euch, MEINEN Frieden gebe ICH euch, aber nicht wie die Welt ihn gibt!“ (Joh 14, 27) Im April 1918 verbannen die Bolschewiki sie nach Perm, dann nach Jekaterinburg, später nach Alapajewsk. Hier wird Elisabetha zusammen mit den anderen Todgeweihten zu einer stillgelegten Grube gebracht, 30 Meter tief, in welche sie hinabgestoßen werden. Elisabetha schlägt mit dem Kopf auf und ist sofort tot. Die anderen singen Kirchenlieder. Verängstigte Menschen aus der Umgebung hören den Gesang, wagen aber nicht nachzuschauen. Allmählich erlöschen die Melodien. Die letzten Worte von Elisabetha Fjodorowna zu ihren Mördern: „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23, 34) Heute wird Elisabetha in der russisch-orthodoxen Kirche als Martyrerin und Heilige verehrt.
Sr. M. Anja Henkel
Buch: Große Europäer (10 €)