Einen Kaiser hat Europa seit 1918 nicht mehr – aber christliche Wurzeln.
Am 25. Dezember 800 krönt Papst Leo III. den Frankenkönig Karl in Rom zum Kaiser. Karl der Große ist der erste christliche Kaiser des Abendlandes. Ihm ist die Christianisierung Frankreichs und Deutschlands zu verdanken. Dabei kann er an die Missionsarbeit von Bonifatius, dem Apostel der Deutschen († 754), und die der Wandermönche aus England und Irland anknüpfen. Durch die Salbung und Krönung in Rom wird Karl zum mächtigsten Herrscher Europas. In enger Zusammenarbeit mit dem Papst werden neue Bistümer und Klöster in dem Gebiet errichtet, das heute ganz Deutschland und Frankreich umfaßt. Immer wieder kommt der christlich Kaiser Papst Leo III. mit seinem Heer zu Hilfe – im Kampf gegen Aufstände der Römer oder die Langobarden.
Christliches Bollwerk des Abendlandes
Sein Selbstverständnis als Kaiser: „Unsere Aufgabe ist es, die heilige Kirche CHRISTI gegen Angriffe der Heiden mit den Waffen nach außen zu verteidigen und nach innen durch die Erkenntnis des katholischen Glaubens zu stärken. […] Euch aber, Heiligster Vater, kommt es zu – wie einst Mose – mit zu Gott erhobenen Händen unser Heer zu unterstützen.“ (KG Algermissen). Nach dreimaliger Akklamation durch das römische Volk am Weihnachtstag 800 huldigt der Papst kniend dem Kaiser. Die Kaiserkrone verleiht Karl Vorrang vor allen Fürsten des Abendlandes. Die Idee des Kirchenvaters Augustinus († 430) vom irdischen Gottesstaat wird nun Wirklichkeit: Die Kirche sorgt für religiöse und sittliche Werte, der Staat hat politische und soziale Aufgaben. Das Mittelalter ist durchaus nicht finster, sondern voll von hoffnungsvoller Dynamik.
Licht und Schatten
Die vom Herrscher neu errichtete Verwaltungsstruktur mit Königsboten und Grafen soll dem Reisekönig ohne feste Hauptstadt helfen, seine Politik im ganzen Reich durchzusetzen. In seinem Hofstaat befinden sich Gelehrte aus ganz Europa, wie Alkuin († 804) und Einhard († 840). Sie bilden zusammen mit dem Klerus die intellektuelle Elite des neuen christlichen Reiches. Eine Schrift entsteht, die Karolingische Minuskel, Bibliotheken werden errichtet, Chroniken jedes Jahr geschrieben, Schulen gegründet. Karolingische Renaissance nennen die Historiker diese Epoche nach den Wirren der Völkerwanderung und dem Zerfall des Römischen Weltreiches. Karl wird der Große auch deshalb genannt, da er sein Reich in mehreren Kriegen ausgedehnt hat: Bayern, Sachsen und Langobarden werden seinem Reich angegliedert und christianisiert. Eine Schattenseite dieser anfänglichen Harmonie zwischen Papst und Kaiser existiert jedoch wie bei allen geschichtlichen Ereignissen: Kritiker betonen die Zwangsbekehrung der Sachsen durch Krieg und die spätere Auseinandersetzung zwischen Papst und Kaiser im 11. Jahrhundert über die Frage, wer Bischöfe einsetzen dürfe (Investiturstreit). Erst das Wormser Konkordat von 1122 findet einen Kompromiß für den Rest des Mittelalters.
Ein Vorbild für heute?
Welche Bedeutung hat nun die Epoche Karls des Großen für Deutschland? Durch seine Kooperation mit dem Papst und seine Religiosität gelang es ihm, Deutschland – das nach seinem Tod aus dem Riesenreich hervorgeht – ein festes Selbstverständnis zu geben, tief im Christentum verwurzelt. So kann es den Anstürmen ausländischer Mächte und des Islam über Jahrhunderte standhalten. Erst 1918 dankt der letzte deutsche Kaiser aus der Dynastie der Habsburger ab. Damit ist der Titel „der Große“ auch über das Frühmittelalter hinaus bis in unsere Zeit gerechtfertigt. Die Kaiserkrönung zu Weihnachten im Jahr 800 war für das Reich Gottes segensreich.
Sr. M. Anja