Mit feinem Empfinden hat sie erkannt, daß die Schwarzröcke gute und edle Menschen sind. Eine innere Stimme treibt sie, ihnen zu glauben und zu vertrauen.
Erst gestern Abend hat ein ungewohnter Lichtstrahl ihre Seele erhellt, als Pater Bruyas nach dem Essen über den christlichen Glauben sprach. „RAVANNIJO, der wahre GOTT“, so hat er gesagt, „ist der VATER aller Menschen, der roten Männer genau so wie der weißen. ER liebt nicht nur die Franzosen, sondern auch die Mohwaks, Huronen, Algonkins und die anderen Indianer. SEIN Wille ist es, daß alle einander als Brüder behandeln, anstatt sich gegenseitig zu foltern und zu töten. Wenn alle Menschen IHM wahrhaft dienen würden, dann wäre Frieden auf der ganzen Welt. RAVANNIJO ist überall. ER sieht und hört alles. Jeder Mensch, auch das kleine Kind, darf zu IHM sprechen und IHN „VATER“ nennen.“ An dieser Stelle hat Jownero den Priester plötzlich unterbrochen und mit kurzen, barschen Worten verkündet, daß es Zeit zur Nachtruhe sei. – Tekakwitha öffnet die Augen und greift nach dem Krug.
Ein Lächeln spielt um ihre Lippen. Sie blickt durch die Baumkrone zum blauen Himmel hinaus und spricht, zum ersten Mal im Leben, ein Gebet: „SEVNNIJO, wahrer GOTT, hilf mir, DICH zu kennen und DIR zu dienen!“
Sie füllt den Krug und hebt ihn auf die Schultern. Die Last erscheint ihr heute leichter als sonst. Wäre sie nicht so scheu, sie würde vor Freude singen. Eilig, so gut es ihre Augen erlauben, geht sie ins Dorf zurück
P. Franz Weiser
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