Als das Christentum vor 2000 Jahren begann, die heidnische Welt zu erobern, brachte es viele unerhörte Wahrheiten mit. Eine davon war die Unsterblichkeit der Seele. Die Heiden wußten gar nicht, daß sie eine Seele besaßen, und daß sie unsterblich ist.
So weit wir zurückschauen können, haben die Menschen zwar ihre Toten so bestattet, als ob ihr Leben irgendwie weiterginge. Aber ein klares Bewußtsein der Unsterblichkeit besaßen sie nicht. Sie dachten sich das Weiterleben nach Art des diesseitigen Lebens. Viele Philosophen haben sich mit der Unsterblichkeit beschäftigt, und gerade die bedeutendsten haben gesagt: Ja, die Seele ist unsterblich. Sie kann gar nicht zerstört werden.
Andere Philosophen sind nicht zu diesem Ergebnis gekommen. Aber bei allen kann man feststellen, daß ihre Argumentation fehlerhaft ist. Doch die Freude über die Unsterblichkeit der Seele hielt sich immer in Grenzen. Denn mit Schrecken wurde vielen Menschen bewußt, daß auch ihre bösen Taten über den Tod hinaus erhalten blieben und sie durch den Tod nicht davon erlöst würden. Manche wünschten sich sogar ein absolutes Ende des Lebens im Tod. Auch heute ist dieses Denken verbreitet, und man denkt wieder an ein jenseitiges Gericht und eine schreckliche Strafe. Viele lassen sich deshalb verbrennen, um das alles zu verhindern: Der Gedanke an die Unsterblichkeit kann eine heilsame Furcht auslösen und sich auf die Moral günstig auswirken.
In kommunistischen Ländern, wo die Ideologie den Glauben an die Unsterblichkeit der Seele verbietet, gibt es deshalb oft nur noch eine mangelhafte Friedhofs-Kultur, und die Bestattung ähnelt einer Beseitigungs-Maßnahme. Doch haben sich noch Bräuche aus vor-kommunistischer Zeit erhalten und werden geduldet. Kein Ungläubiger glaubt wirklich an seinen Unglauben, und alle beneiden sie heimlich den Gläubigen.
Als der Glaube an die Unsterblichkeit heftig bekämpft wurde, hat die Kirche ihn auf dem fünften Lateran-Konzil (1512-1517) zu einem Dogma erhoben. Sollte der Glaube an die Unsterblichkeit der Seele noch weiter schwinden, würde das Christentum zusammenbrechen, und die nach-christliche Zeit Europas beginnen. Manche wünschen sich diese Zeit herbei.
Doch sie wissen nicht, was sie tun.
Werner J. Mertensacker
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