Auf das Gewissen ist kein absoluter Verlaß. Große Verbrechen werden mit gutem Gewissen begangen und gerechtfertigt. Auch die Dämonen können mit der „Stimme“ des Gewissens sprechen. Wer aber sagt uns verläßlich, was wir tun oder lassen sollen?
Alles Sollen gründet im Sein!
Der Münsteraner Philosoph Josef Pieper (1904-1997) vertreibt mit ein paar wuchtigen Schlägen allen Nebel und schafft Klarheit: „Alles Sollen gründet im Sein. Die Wirklichkeit ist das Fundament des Ethischen. Das Gute ist das Wirklichkeitsgemäße.“ Was wir tun oder lassen sollen, sagt uns also etwas in der Außenwelt, nicht etwas in uns. Weiter stellt Pieper fest: „Wer das Gute wissen und tun will, muß seinen Blick richten auf die gegenständliche Seinswelt. Nicht auf die eigene „Gesinnung“, nicht auf das „Gewissen“, nicht auf „die Werte“, nicht auf eigenmächtig gesetzte „Ideale“ und „Vorbilder“. Er muß absehen von seinem eigenen Akt und hinblicken auf die Wirklichkeit.“ Kurz gesagt: Wir sollen tun, was die Dinge fordern. Ein gutes Beispiel dafür ist der Barmherzige Samariter.
Vernunft und Gewissen
Die Vernunft informiert das Gewissen darüber, was wirklichkeitsgemäß ist und was es fordern, loben oder tadeln soll. Selbst kann das Gewissen nicht erkennen, weil es eine reine Befehls-Zentrale ist. Sein Wissen ist nur ein Mit-Wissen mit dem Wissen der Vernunft. Das bedeutet aber: Wenn die Vernunft sich irrt, „irrt“ sich auch das Gewissen. Und dann fordert es nicht, was die Dinge fordern, sondern etwas Falsches. Und Schlimmeres kann es kaum geben. Um das zu verhindern, wollen manche Leute das Gewissen bilden. Das geht aber nicht. Man kann das Gewissen nur über die Vernunft korrigieren, nicht direkt. Und das bedeutet: Die Vernunft muß es lernen, sich nicht mit einer oberflächlichen Kenntnis einer Sache zufrieden zu geben, sondern genauer hinzuschauen, bis sie die Wahrheit erkennt.
Die Manipulation
Wer Menschen zu falschem Tun und Handeln verführen und ihr Gewissen verfälschen will, der muß ihnen ein falsches Bild von der Wirklichkeit geben. Das geschieht tagtäglich mit der kleinen Lüge wie mit der großen Manipulation bzw. Des-Information. Es gibt auch staatliche Gesetze, die uns falsch informieren und uns z.B. einreden wollen, es sei erlaubt, ein kleines Kind zu töten oder daß Männer Männer heiraten und Frauen Frauen. Doch das ist alles ganz und gar falsch. Denn es gründet nicht im Willen der Natur, sondern in kurzsichtiger und zerstörerischer Willkür.
Ergebnis
Das Gewissen ist ein ständiger, nicht aber auch zuverlässiger Begleiter. Was wir tun oder lassen sollen, sagen uns letztlich nur die Dinge selbst, die Menschen und Umstände, die Wahrheit. Auch Gesetze und sonstige Vorschriften sind nicht maß-gebend. Alles Sollen gründet allein im Sein und in sonst nichts.
Was sein Fundament nicht in der Wirklichkeit hat, besitzt keine Verpflichtungs-Kraft aus sich selbst, sondern nur aus Macht-Ansprüchen von Einzel-Personen oder Institutionen. Mit Goethes Worten: „Im Tun und Handeln kommt alles darauf an, daß die Objekte rein aufgefaßt und ihrer Natur gemäß behandelt werden.“ Damit geht der Dichter noch über den ethischen Bereich hinaus und formuliert ein allgemeines „Gesetz des Handelns“.
Werner J. Mertensacker
CM-Buch: Falschmünzer des Glaubens (5 €)
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