Gerettet in letzter Sekunde

Noch heute wird in Frankreich über ein bewegendes Ereignis aus dem Deutsch‐Französischen Krieg (1870/71) berichtet. Ein deutscher und ein französischer Soldat überleben durch den Rosenkranz mitten im Kampf.

Nach jahrelangen Spannungen zwischen Preußen und Frankreich flammte der Krieg auf, auch weil Leopold von Hohenzollern für den spanischen Thron kandidierte. Frankreich fürchtete, von den Deutschen eingekesselt zu werden, während Otto von Bismarck in Preußen an der Einigung des Deutschen Reiches arbeitete. Als Frankreich mobilmacht, wird auch der 66jährige Schriftsteller Joachim Ambert von seiner Wallfahrt in Rom abberufen und an die Front geschickt. Seine Memoiren berichten über die Kämpfe um Vitry.

Scharfschütze im Morgengrauen

Die Preußen setzen im Kampf gegen die Franzosen Scharfschützen, die nachts in den Wäldern einzelne französische Soldaten erschießen. Die Franzosen ziehen nach und übernehmen die Taktik. Joachim Ambert meldet sich freiwillig als Scharfschütze gegen die Deutschen. Im Morgengrauen robbt er auf Knieen und Händen durch ein fast ausgetrocknetes Bachbett den deutschen Linien entgegen. Am Gürtel hat er einen Revolver und das Fernglas seines Leutnants, in der Tasche ein Stück Gebäck und das Gewehr über der Schulter. An einem großen Baum, von Gestrüpp umgeben, macht er Halt. Mit seinem Bajonett gräbt er die Erde auf, baut oben auf der Böschung eine Art Wall und legt zur Tarnung trockenes Gras darauf. In den Wall baut er winzige Öffnungen ein, um zu sehen, ohne gesehen zu werden. Dann bleibt reglos liegen und beobachtet.

Im Fernglas sieht er den Gegner

Da taucht in einem anderen Hohlweg eine Hand auf. Tatsächlich! Es ist keine Täuschung! Ein Gegner muß in seiner Nähe sein. Er greift zum Fernglas und sieht, aufgeregt, den Kopf und die Hände eines jungen, bartlosen Soldaten, bayerischer Typ. Der sitzt auf dem Boden und scheint seine Beobachter‐Aufgabe vergessen zu haben. „Komisch!“, denkt Ambert, greift aber zum Gewehr. „Nun dreht dich um, Mann, damit ich dir in die Brust schießen kann!“, denkt Ambert, „dann tut es nicht so weh, als wenn ich von hinten schießen muß.“ Er wartet, doch da zieht der Bayer plötzlich einen kleinen Lederbeutel aus seiner Hosentasche, öffnet ihn und entnimmt ihm etwas. Der Franzose legt sein Gewehr zur Seite und beobachtet mit dem Fernglas. Er sieht wie der Mann eine Kniebeuge macht, dann das Kreuzzeichen, nun einen Rosenkranz in Händen hält – um zu beten. „Jetzt muß ich schießen!“, weiß Ambert. Doch er kann nicht abdrücken, während Wolken den Gegner einzuhüllen scheinen. Das Gewehr entgleitet dem zum Töten Bereiten.

Danke, Muttergottes!

Schon zieht sich der Todgeweihte zurück. Auch Joachim Ambert wendet sich heimwärts. Da pfeifen zwei Kugeln um seine Ohren. Treffen ihn aber nicht, da er sich gerade langsam von dem Blick auf den betenden Gegner abwendet und den Kopf gedreht hält. „Ein Wunder der Muttergottes!“, schießt es ihm durch den Kopf. „Ich lebe noch!“ Das Gebet seines Gegners hat auch ihn beschützt.

Kriegs‐Ende

Doch auch er muß mit GOTT ringen. In der Nacht darauf schlägt sein Soldaten‐Gewissen: „Hatte er das Recht, einen Gegner seines Landes zu verschonen, nur weil dieser betete? War er feige gewesen, ein schlechter Soldat?“ Um sein Gewissen zu beruhigen und seine Vaterlands‐Liebe unter Be weis zu stellen, nimmt er freiwillig an den Schlachten von L’Hay und Choisy‐le‐Roi teil. Schwer verwundet, wird er bald blutend ins Lazarett gebracht. Dort erhält er die französische TapferkeitsMedaille. 1871 verliert Frankreich diesen Krieg, der preußische König wird als Kaiser Wilhelm I. in Versailles ausgerufen, und Otto von Bismarck wird der neue Reichskanzler. Joachim Ambert aber bezeugt, daß der eigentliche Sieg nur durch Gebet und Gottes wunderbares Eingreifen errungen werden kann.

Pfr. Winfried Pietrek CM‐Antiquariat: Bismarck‐Biographie (20 €)

Diese Artikel könnten Ihnen ebenfalls gefallen