Preußen, das Erbe einer Großmacht

Preußen ist wieder in aller Munde: Stalin hat Ostpreußen besetzt, jetzt fordert Putin freien Transit in die Enklave Kaliningrad, Königsberg.

75 Jahre ist es her, daß die Siegermächte des II. Weltkriegs das Ende Preußens erklärten. Symbolisch wird am 25. Februar 1947 das Berliner Stadtschloß ge­sprengt, ebenso alle Denkmäler des preußischen Militärs. Für den Alliierten Kontrollrat ist Deutschland „Träger des Militarismus, der die Welt in zwei Kriege 1914 und 1939“ geführt hat. Englands Premierminister Winston Churchill erklärt 1943: „Das Herz Deutschlands schlägt in Preußen. Hier liegt der Ursprung jener Krankheit, die stets neu ausbricht.“ Doch der Mythos Preußen lebt weiter.

Mit Blut und Eisen

Hatte nicht Reichskanzler Otto von Bismarck im Krieg gegen Frankreich 1870-71 den lockeren Deutschen Staatenbund unter seiner Führung geeint und das Zweite Deutsche Reich gegründet, eine parlamentarische Monarchie mit preußischem Kaiser und preußischer Dominanz im Reichstag und Bundesrat?!
Das ist richtig, aber auch, daß der Eiserne Kanzler Bismarck Deutschlands Grenzen kannte. „Deutschland ist saturiert! Groß genug!“, erklärt er und hält sich aus dem Imperialismus heraus. Stattdessen sichert er in einem komplizierten Bündnis-System den Frieden in Europa. Erst der junge Kaiser Wilhelm II. tritt dem imperialistischen Kolonie-Erwerb der Großmächte bei, um „Deutschland einen Platz an der Sonne zu verschaffen.“
In den I. Weltkrieg 1914 schlittern alle europäischen Staaten dann gemeinsam hinein. Deutschland trägt nicht die Alleinschuld, wie §218 des Versailler Vertrags 1919 erklärt.

Woher stammen die Preußen?

1415 belehnte der deutsche König Sigismund den Hohenzollern Herzog Friedrich VI. mit der Mark Brandenburg. Sie ist ein schwach besiedeltes Territorium, bettelarm, mit dem Spitznamen „des Heiligen Römischen Reiches Streusandbüchse“. Allmählich entwickelt sich das Herzogtum Preußen zu einem Flickenteppich, bestehend aus weit auseinanderliegenden Einzelgebieten, die durch Heirat oder Verhandlungen gewonnen werden: 1614 das Herzogtum Kleve und Minden, dann die Grafschaften Mark und Ra­vensberg. 1701 darf sich Friedrich I. mit kaiserlicher Erlaubnis „König in Preußen“ nennen. Unter Friedrich II., dem Großen – auch „alter Fritz“ genannt – entwickelt sich Preußen im 18. Jahrhundert zur zweiten Großmacht innerhalb des Deutschen Reiches neben Österreich. Es gelingt ihm, im Siebenjährigen Krieg (1756-1763) Maria Theresia von Österreich das wirtschaftlich blühende Schlesien zu entreißen und sich damit zum führenden Ter­ritorial-Staat innerhalb des deutschen Staatsgebietes hochzuarbeiten. Auf dem Wiener Kongreß 1814/15 bekommt Preußen schließlich das Rheinland und Westfalen zugesprochen, die Kernländer der Industrialisierung.

Preußens Mythos lebt

Preußens übergroße Armee und die Verherrlichung des Militarismus überdauern die beiden Niederlagen Deutschlands in den beiden Weltkriegen. Während der Weimarer Republik (1918-1933) bildet das Land Preußen unter dem Reichspräsidenten Friedrich Ebert (SPD) und danach unter der SPD-Regierung von Otto Braun das Bollwerk der neuen Staatsform, der Demokratie.

Viele namhafte Preußen gehören zur Widerstandsgruppe gegen Reichs­kanzler Adolf Hitler (1933-1945), die sich um Helmut James von Moltke und Peter Yorck von Wartenburg bildet. Doch ebenso viele Politiker und Industrielle aus Preußen stehen hinter Hitler, besonders Militärs und Adelige. Bis heute besteht eine Kontroverse zwischen Bewunderung und Kritik über die Preußen. Seit 1991 ruhen die Gebeine Friedrichs d. Gr. in Sanssouci, und auch das Stadtschloß in Berlin ist inzwischen wieder aufgebaut. Doch die Sorge, daß Preußen bzw. Deutschland ein drittes Mal nach der Weltmacht greift, ist derzeit unbegründet. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zieht gerade schweren Herzens in den Verteidigungs-Krieg in der Ukraine gegen Rußland. Sr. Maria Anja Henkel

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