Das Bundestagswahlergebnis ist ernüchternd – für jeden und jede Partei. Union und SPD sind gemeinsam so schwach wie noch nie. Die Gefahr ist greifbar, daß es zu instabileren Verhältnissen kommt; denn das Wahlergebnis wirbelt im politischen System mehr durcheinander als alle Wahlen seit der Wiedervereinigung.
Die (bisher) „großen“ Parteien haben versagt und damit ausgedient. Das Wahlvolk ist vielfältiger, und damit unberechenbarer geworden. Kein Platz mehr für Volksparteien: „Klassische Milieus“ verschwinden bzw. haben ihre Bedeutung verloren: Bei den Bürgerlichen z.B. die Kirchen, bei den Sozis die Arbeiterschaft. Eine zunehmende Individualisierung machte sich breit. Einzelinteressen dominieren den politischen Diskurs. Aber: Viele dieser jungen Menschen befinden sich in einer Art inneren Aufruhrs, sind aber beileibe keine Revoluzzer wie die ’68er und keine traumwandelnden Friedensbewegten, sie blicken sorgenvoll in Gesellschaft und Zukunft.
Ein erstmaliges Erlebnis in der deutschen Nachkriegsgeschichte ist auch der Umstand, daß die ehedem als klein bezeichneten Parteien die Herren des weiteren Verfahrens sind. Noch ehe der Erstplazierte Scholz zu Gesprächen einladen konnte, gab FDP-Chef Christian Lindner zu verstehen, er wolle sich mit Robert Habeck von den Grünen ins Benehmen setzen. Von „Vorsondierungen“ ist die Rede. Noch deutlicher: Die „Kleinen“ – FDP und Grüne – bestimmen jetzt, wer Bundeskanzler wird. Die Bildung einer stabilen Regierung ist aber unumgänglich und deshalb so wichtig, weil Deutschland als größte Volkswirtschaft Europas weiterhin eine große Verantwortung übernehmen und die EU anführen muß.
Die Zeit der großen Volksparteien ist vorbei, und Deutschland folgt damit einem europäischen Trend. Der große Sieger war außerdem weniger die SPD, sondern vielmehr die sogenannte politische Mitte. Die CDU brach ein, aber ihre Wähler liefen nicht zur rechten AfD über. Auch die Linke verzeichnete einen Rückgang, und stattdessen profitierten SPD, Grüne und FDP. Trotz Wahlsieg Probleme bei der SPD: Scholz gibt sich derweil als „strahlender Sieger“, aber die (ganz) Linken in seiner Partei werden ihm bald ihre Forderungen an den Kopf knallen. Peter Helmes
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