Gegen Ende jedes Jahres ziehen wir Hirten mit unseren Schafen in die 800 m hochgelegene Region von Jerusalem und dem nahegelegenen Bethlehem. Auch wenn wir nur einfache Hirten sind, so wissen wir doch, daß Bethlehem die Königsstadt Davids aus dem Alten Testament ist, aus welcher der verheißene MESSIAS hervorgehen soll.
Lange warten wir Juden schon auf IHN. Der Prophet Jesaja und viele andere GOTTES-Männer haben IHN schon vor mehr als 800 Jahren angekündigt. Jesaja nennt ihn „Friedensfürst“. Ja, wie nötig hat unsere Welt den Frieden. Seit etwa 60 Jahren herrschen die Römer in unserem Land mit strenger Hand und hohen Steuern. Wir sind einfache Hirten und haben mit der großen Politik wenig zu tun. Wie immer hocken wir abends um das Feuer, die Schafe grasen in der Nähe. Am Feuer grillen wir und wärmen uns. Gleichzeitig hält das Licht die Wölfe von unseren Herden fern.
Gloria in excelsis Deo
Plötzlich fällt ein übernatürlich heller Lichtkegel auf die Feuerstelle und überstrahlt deren Feuerglanz tausendfach. Überrascht schweigen wir. Was kommt jetzt? Da nähert sich uns im Lichtkegel eine Gestalt: Ein Engel, ein GOTTES-Bote. Erschreckt meinen wir, den Verstand verloren zu haben, und wollen davonlaufen. Doch der Engel hält uns zurück und begrüßt uns: „Fürchtet euch nicht! Denn seht, ich verkündige euch eine große Freude, die allem Volke zuteilwird. Heute wurde euch in der Stadt Davids der HEILAND geboren, CHRISTUS, der MESSIAS, der HERR!“ (Lk 2,8). Sprachlos starren wir die Himmels-Erscheinung an. Dann begreifen wir langsam. Die Prophezeiung der alten Propheten ist wahr geworden, und wir sind diejenigen, die als Erste davon informiert werden – und zwar auf übernatürliche Weise. O, wie freuen wir uns! Endlich ist der Friedensbringer auf unsere leidgeprüfte Erde gekommen. Eilen wir zu IHM. Geben wir IHM die Ehre! Laßt uns IHN anbeten!
Wo aber ist ER zu finden?
Wie sollen wir IHN erkennen? Ich mache mir jedoch unnötige Sorgen, denn schon fährt der Engel fort: „Euer Erkennungszeichen soll sein: Ein Kind, in Windeln gewickelt, in einer Krippe liegend.“ Das neugeborene Baby liegt also in einem Stall in Bethlehem, denn von hier soll ja der MESSIAS ausgehen. Da sehe ich, wie sich dem Engel ein ganzes Engel-Heer beigesellt, die alle gemeinsam GOTT, den VATER, preisen: „Ehre sei GOTT in der Höhe! Auf Erden Friede den Menschen, die guten Willens sind!“ Dann entschwinden die himmlischen Boten.
Anbetung vor der Krippe
Tatsächlich finden wir die drei. Die Mutter, ein etwa 14jähriges Mädchen, und ihr junger Ehemann sitzen um die kleine Futter-Krippe mit dem Kind darin und beten es an. Ein himmlischer Friede und Glanz gehen von ihnen aus. Sie scheinen sich gar nicht zu wundern, als wir Hirten plötzlich in der Stalltür stehen und ebenfalls auf die Knie sinken. Alles geschieht ganz natürlich, als ob es von Ewigkeit her so geplant war. Wir alle spüren die Anwesenheit GOTTES in dieser heiligen Stille bei dem Kind in der Krippe.
„Es heißt JESUS“, flüstert uns Maria zu, „GOTT rettet!“ – „Ein schöner Name!“, denke ich, spreche es aber nicht aus in dieser heiligen Atmosphäre.
Sr. M. Anja
Buch: Augenblicke im Kirchenjahr (10 €)