Manchmal rechtfertigt jemand einen Fehler mit einem angeblichen Recht auf Irrtum. Auch von sonst gescheiten Leuten kann man das hören. Doch ein Recht auf Irrtum gibt es nicht wie auch kein Recht auf Krankheit, Unglück, Lüge, Mord usw.
Ein Recht hat man nur auf einen Wert, auf etwas Gutes z. B. auf Leben, Bildung, Eigentum usw. Wer von einem Recht auf Irrtum spricht, will einen Un-Wert in einen Wert umfälschen. Das ist ein Weg in die Konfusion.
Bei Shakespeare singen einmal drei Hexen: „Schön ist häßlich, häßlich schön.“ (Macbeth): Das ist ein dämonisches Prinzip zur Aufhebung aller Ordnung und Zerstörung der Gesellschaft. Die Hexen hätten auch singen können: „Irrtum ist Recht, Recht ist Irrtum.“
Wer sich geirrt hat, muß das zugeben und darf auf keinen Fall versuchen, sich mit einem angeblichen Recht auf Irrtum herauszureden. Das wäre eine Lüge.
Am ehesten scheint es noch in der Wissenschaft ein Recht auf Irrtum zu geben. Doch manche Leute sagen sogar: „Wissenschaft ist der letzte Stand des Irrtums.“ Nirgendwo auf der Welt gibt es ein Recht auf Versagen, auf Fehler, auf Unsinn, auf Mängel. Der Irrtum ist etwas Falsches und auf gar keine Weise zu retten. Er ist ein Übel und widerspricht der Wirklichkeit und Wahrheit. Und das sieht man vor allem an seinen Folgen.
Die Irrtümer von Leuten in hohen Stellungen können verheerende Konsequenzen haben. Man könnte allein über die größten Irrtümer ein dickes Buch schreiben, und man müßte im Paradies damit beginnen.
Wenn jemand von einem Recht auf Irrtum spricht, denkt er vielleicht an das Sprichwort: „Irren ist menschlich.“ Das Sprichwort will den Irrtum entschuldigen, der andere Satz will ihn aber rechtfertigen. Das sind zwei ganz verschiedene Aussagen: Die erste ist richtig, die zweite falsch. Mit anderen Worten: Wir begehen immer wieder Fehler und Irrtümer. Aber ein Recht darauf haben wir nicht, wie manche Leute glauben.
Werner J. Mertensacker
CM-Buch: Das göttliche Gesicht (20 €)